Rechenstörungen bei Kindern 

Wie sich Rechenstörungen entwickeln können

Kinder im Vorschulalter verfügen in der Regel über die Kenntnis von Zahlen als Ordnungszahlen („Ich bin 1., 2., 3. usw.“). (Ordinaler Zahlaspekt) Sie können bis 10 oder 20 zählen und haben eine Vorstellung von kleineren Mengen entwickelt. Der Mathematikunterricht greift im ersten Schuljahr diese Vorerfahrungen der Kinder auf. Hier wird zu Beginn gezählt und sortiert. Der Lehrer führt die Zahlen als Repräsentanten für eine Menge ein (Kardinaler Zahlaspekt). Im nächsten Schritt ist es wichtig, dass die Kinder eine Vorstellung von Zahlen als Repräsentant einer strukturierten Menge (5er / 10er Struktur) entwickeln.

Gelingt es dem Lehrer bei einzelnen Kindern nicht eine Zahlvorstellung zu festigen und Rechenstrategien zu verankern, verharren diese Kinder im zählenden Rechen. Begreift sich das Kind erst einmal als schwacher Rechner, führt diese Selbsteinschätzung häufig dazu, dass diese Kinder eine Rechenstörung entwickeln.

Rechenschwache Kinder haben gelernt, vermeintlich schwierige Aufgaben, zählend zu lösen. Sie verlassen sich lieber auf die „sichere Methode“ des Zählens, als dass sie auf gelernte Rechenstrategien zurückgreifen. Dies führt dazu, dass Ergebnisse oft falsch sind. Zählfehler schleichen sich schnell ein. Der Rechenweg und das Ergebnis sind nicht nachvollziehbar, weil keine Strategie dahinter steht. Zählen ist zudem langsam und braucht ein hohes Maß an Konzentration über einen längeren Zeitraum hinweg. Misserfolge häufen sich. Das Rechnen verkommt zum sinnlosen und mühsamen Zählen.

 

Häufige Probleme von rechenschwachen Kindern

  • Rechenschwache Kinder lassen beim Zählen Zahlen aus. Sie plappern die Zahlenreihe dahin, ohne Bezug zu den einzelnen Gegenständen, die sie zählen wollen.
  • Sie haben keine Zählstrategie erlernt und verfügen über keinen Zähl-Rhythmus. Das heißt, sie tippen die zu zählenden Gegenstände nicht in dem Rhythmus an, in dem sie dazu sprechen.
  • Sie haben Probleme beim Vorwärts- und besonders beim Rückwärtszählen in den verschiedenen Zahlenräumen.
  • Sie haben keine sichere kardinale Zahlvorstellung. Das bedeutet, Zahlen werden nur in einer Zahlenreihe gesehen, nicht jedoch als Repräsentant einer Mengen verstanden.
  • Auf dem Zahlenstrahl bis 20 oder bis 100 fehlt die Orientierung und das strategische Vorgehen. Es wird von einer Zahl an weitergezählt, nicht jedoch die Struktur erfasst oder in Schritten gezählt.
  • Sie zählen die Elemente einer Menge ohne die Struktur der Darstellung z.B. 5er- oder 10er-Struktur zu beachten. Da diese Zahlauffassung nicht genügend geübt und verinnerlicht wurde, haben sie Probleme, strukturiert dargestellte Mengen im Zahlenraum bis 10 simultan zu erfassen.
  • Die Zerlegungen der 10 (Partnerzahlen) ist nicht gesichert vorhanden. Eventuell sind die Partnerzahlen auswendig gelernt. Die Anschauung fehlt.  Diese ist jedoch von zentraler Bedeutung, wenn man Additons- und Subtraktionsaufgaben rechnend lösen will.
  • Sie haben Probleme bei der Zerlegung der Zahlen bis 10. Die Zerlegungen der Zahlen bis 10 sind nicht verfügbar. Es fehlt ihnen die Anschauung (Vorstellung) der Zerlegung . Diese ist ebenfalls , beim Lösen von Additons- und Subtraktionsaufgaben  von zentraler Bedeutung.
  • Diese Kinder verstehen nicht die Begriffe, die für das Verstehen mathematischer Zusammenhänge und Aufgabenstellungen gebraucht werden: „Unterschied zwischen…“, „um 5 mehr als…“ , „um 5 größer/kleiner als…“ , „lege dreimal 5 Steine…“, „die Hälfte von…“, „das Doppelte von…“  „Ergänze bis …“  „Verteilen“, „Aufteilen“.
  • Sie können die bereitgestellten Materialien (Rechenkette, Zwanzigerbrett, Abakus, Hunderterbrett oder Dienes-Material) nicht selbstständig nutzen, da der Umgang damit nicht vermittelt, nicht verstanden und/oder nicht genügend geübt wurde. Materialien werden als Zählhilfe nicht als Rechenhilfe verwendet.
  • In den Zahlenräumen über 10 geht das Zählen weiter, inzwischen perfektionierter als „Weiterzählen“ und „Rückwärtszählen“. Die Kinder haben das Bündeln und das Zehnersystem nicht verfügbar. Die Stellenwerte (H, Z, E) werden vertauscht und deren Bedeutung ist nicht verstanden. (Beispiel: 45 und 54). Sie haben Probleme beim Umwechseln von einem Zehner in Einer bzw. einem Hunderter in Zehner. Zwischen „Umwechseln“ und „Herausgeben“ bei Aufgaben mit Geld wird oftmals nicht unterschieden.
  • Sie können nicht im Kopf (ohne Zählhilfen) addieren und noch weniger subtrahieren. Manchmal sind die Aufgaben im Zahlenraum bis 10 nur auswendig gelernt. Die Kinder verfügen über keine mentale Vorstellung von Rechenhandlungen.
  • Rechenoperationen werden nur als eine Handlung, ein Hinzufügen und Wegnehmen im zeitlichen Nacheinander begriffen. Das Gleichheitszeichen wird interpretiert als „daraus wird“ oder „dann sind es“. So wird das Gleichheitszeichen in seiner Bedeutung nicht verstanden, nämlich, dass die Mengen auf beiden Seiten einer Gleichung gleich sind.
  • Besonders Sachaufgaben, können nicht gelöst werden. (Beispiel: Max ist fünf Zentimeter kleiner als Moritz.) Die in der Aufgabe genannten Zahlen werden einfach beliebig addiert oder subtrahiert.
  • Mathematische Zusammenhänge, wie Tauschaufgaben, Umkehraufgaben oder Nachbaraufgaben sind nicht verstanden, stehen somit als Rechenstrategien nicht zur Verfügung.
  • Das Verständnis von gleichsinnigem und gegensinnigem Verändern fehlt, steht somit ebenfalls als Rechenstrategie nicht zur Verfügung.
  • Sie haben Probleme beim Ergänzen bis 10 und 20, später bis 100 oder 1000.
  • Rechenwege können nicht aufgeschrieben werden.

Fazit:

Rechenschwachen Kindern fehlt eine gesicherte Zahlvorstellung, die Einsicht in mathematische Zusammenhänge und geeignete Rechenstrategien. Sie verharren in zählendem Rechnen. Im schlimmsten Fall entwickeln sie tiefgreifende Rechenstörungen.